Eugen Roth
Maler und Bildhauer

Sakrale Bildmächtigkeit

Eugen Roths Computeranimation zu Chorälen Arvo Pärts in der Melanchthonkirche als ein Höhepunkt des Kultursommers


Eine Computeranimation mit Bildern Eugen Roths zu Musik Arvo Pärts in der Melanchthonkirche war ein Höhepunkt dieses Kultursommers. Nicht nur von der Machart her - nämlich am Computer generiert - sind die Bilder des Seniors unter der Ludwigshafener Künstlern internationale Avantgarde. Ihre Präsentation als eine Bewegung in der Zeit von Licht, Farbe und Form sind ein visuelles Erlebnis, wie es die bildende Kunst bisher nicht gekannt hat.


War es die Suggestivität des von Bauhaus-Architekt Otto Bartning gestalteten Kirchenraums, dass die Projektion eine sakrale Bildmächtigkeit entfaltete? Die Leinwand erscheint wie ein virtueller Altar. Das Licht erschuf darauf abstrakte Formen, die sich von Arvo Pärts Chorälen getragen geheimnisvoll veränderten. "Du sollst dir kein Bildnis machen..." Bildnisse erzählen naive Geschichten. Spirituell ist, so scheint es, allein das abstrakte Zeichen.


Dabei ist Eugen Roth kein erklärter Vertreter einer spirituellen Kunst. Seine Bilder umschreiben die Erkenntnisse aus Naturwissenschaften und Technik unseres Zeitalters, die ewigen Naturgesetze, die den temporären Hochleistungsanwendungen zu Grunde liegen. Das Jahr der Astronomie inspirierte ihn zu einem Bilderzyklus von astraler Schönheit. Das Schöne ist in der Kunst ja immer das Allgemeingültige. Für Eugen Roth ist es nicht Widerspruch, sondern positives Bekenntnis zum technischen Geist unserer Zeit.


Als ein konkreter Künstler hat er sich im Computer das ihm gemäße Gestaltungsmittel konsequent und radikal erarbeitet. Der Computer trifft in der bildenden Kunst immer noch auf Vorbehalte, während er in Fotografie und Musik längst zur Standardausrüstung gehört. Eugen Roths im Computer entwickeltes Bild versucht nicht ein handgefertigtes nachzuahmen (der Computer kann auch das), sondern versteht sich von seinem Wesen her als anders.


Anders ist die Farbe, weil sie keine Materialität besitzt. Sie hat eine eigene Tonalität, was ein bildender Künstler als Begrenzung empfinden könnte. Eugen Roth baut seine Bilder auf dieser Andersartigkeit auf: seine Farben sind abgrundtief blau, kostbar goldgelb, feurig rot. Grün kommt selten und nur als leuchtendes Smaragdgrün vor. Kein anderes Medium zieht Linien und Konturen so haarscharf, schafft Farbübergänge so stufenlos und gibt dem Licht, das die Maler seit Jahrhunderten fasziniert hat, eine gleichsam körperlos-körperhafte Gestalt.

Ein konkreter Maler verwendet viel Zeit auf die Ausführung seiner Formvorstellung. Indem der Computer sie beschleunigt, bleibt mehr Zeit für die Ideen. In diesem Jahrzehnt hat Eugen Roth mehrere Tausend Bilder geschaffen. Sie sind alle quadratisch. Bei den Bildmotiven überwiegen Kreise und Kreissegmente, im Bildaufbau Zentralkompositionen. Noch deutlicher als im Ausdruck, der ein vergleichsweise traditionelles Bild liefert, kommt der eigene Charakter der Bilder in der Projektion zur Wirkung. Das Werk ist ein CD, sein Betrachtung ein Vorgang in der Zeit.


In Peter Heidrich hat Eugen Roth einen engagierten und kreativen Techniker gefunden, der dies realisiert. Er bringt statisch konzipierte Bilder mittels Software in Bewegung. Die Musik wird zum einstimmenden Leitfaden, an dem sich der Betrachter entlanggleiten lässt. Arvo Pärts machtvolle Choräle tragen ihn in  geheimnisvolle Lichtwelten empor, wo sich das Ewige chiffrenhaft entschleiert und wieder verhüllt. Zu "Spiegel im Spiegel" hat Heidrich jedes Bild spiegelbildlich verdoppelt. Das sieht aus wie ein aufgeschlagenes Buch, über dessen Seiten langsam und meditativ chiffrierte Inhalte ziehen. Was der Betrachter in diesen Animationen sehe, sei nie das originäre Bild, sondern eine Abfolge von dessen Veränderungen, erläuterte Heidrich. Originäre Bilder waren an den Längsseiten des Kirchenraums aufgereiht. Durch Druckertinte auf Papier haben sie Materialität bekommen. Welches ist nun das wahre Bild: dasjenige, das man gedruckt nach Hause tragen kann, oder das im Computer gespeicherte?


Eugen Roth wurde 1925 in Ludwigshafen geboren. Er studierte an der Kunsthochschule in Saarbrücken. Gemeinsam mit seiner Frau Hilde schuf er Stahlstrukturen, Wandbilder und Raumstruktur-Plastiken aus Edelstahlrohr-Modulen. An den Computer-Bildern seines Spätwerks beeindruckt die innovative Kraft.


Die Rheinpfalz, 10.08.2009, Heike Marx